Dort, wo der Pfeffer wächst

Der normale Tourist besucht auf der üblichen Kambodscharoute die beeindruckenden Tempel der Khmer in Siem Reap. Zu Recht wird Angkor Wat als ein neues Weltwunder vorgeschlagen. Phnom Penh als Ausgangspunkt jeder weiteren Reise durch Kambodscha verdient auf dem Reiseplan auch oft zwei bis drei Nächte, um einen Einblick in die blutige Vergangenheit des Landes zu bekommen und die Prunkbauten des Monarchen in der Landeshauptstadt zu besichtigen. Zum Schluss wendet sich der Durchschnittsreisende nach Süden, um in Sihanukville ein paar entspannte Tage am Meer zu verbringen.
An diesen drei Orten versammeln sich auch die Kambodschaner, die vom Tourismus leben, wie Ameisen um Zucker, der auf den Boden gefallen ist. Da die Tourismusindustrie ohne jede Regelung wächst und sich entwickelt, kann das auch schnell unangenehm für die Touristen werden: Wenn man zum Beispiel am Strand liegt und alle zwei Minuten ein kaum 12jähriges Mädchen vorbeikommt, um eine Massage, Maniküre oder frische Früchte anzubieten und sich mit einem einfachen Nein in 90% der Fälle auch nicht abspeisen lässt. Oder wenn man nicht 20 Meter durch Phnom Penh laufen kann, ohne dass ein Mototaxi-Driver anhält und lüstern grinsend auf seine Rückbank klopft: „Lady – Where do you go?“
Das Kambodscha so viel mehr ist als Siem Reap, Killing Fields und Sex, Drugs and Rock’n Roll in Sihanukville habe ich am vergangenen Wochenende mal wieder gesehen.
Mit zwei Freundinnen machte ich mich am Freitag Nachmittag auf den Weg nach Kampot: eine Stadt nahe der Küste, etwas weiter östlich als Sihanukville. Der Bus war alt, verdreckt und klapperig, aber abgesehen von einem geplatzten Reifen kamen wir heil und pünktlich in dem gemütlichen Örtchen an. Ein sauberes Guesthouse für 2 Dollar die Nacht war schnell gefunden. Eingecheckt und frisch geduscht machten wir uns auf den Weg durch das Städtchen. Kein Mototaxi war nötig, denn alles ist zu Fuß erreichbar. Und sofort fiel auf: Es stank nicht, kein Mototaxidriver schnalzte uns hinterher und auch die Straßenränder waren nicht zugemüllt, sondern grün und mit netten kleinen Blumenkästen geschmückt. Adrette, vom Verfall gezeichnete Kolonialbauten reihten sich auf der rechten Seite aneinander, links der Straße floss breit und ruhig der Fluss, an dessen anderem Ufer sich die bewaldeten Hänge des Elefantengebirges erhoben, die Hügelkuppen geheimnisvoll in leise ziehende Wolken gehüllt.
Dort zwischen den Wolken lag auch unser Ziel für den nächsten Tag: Der Bokor Hill National Park. Dieser Urwald bietet neben Elefanten und Tigern eine der meiner Meinung nach größten Attraktionen Kambodschas: Ghost Town - Eine in den 20ern gebaute Vergnügungsanlage der Franzosen mit Hotel, Kasino und Kirche, die seit dem Bürgerkrieg der 70er im nass-kalten Dschungelklima vor sich hin gammelt.
Organisierte Touren, inklusive Trekking, Mittagscurry und einer Bootstour zurück, bringen täglich einige Pick-Up-Ladungen Touristen auf den Berg. Jetzt weiß ich auch, was mit „bumpy road“ gemeint ist: Zwei Stunden lang schleppte sich unser Wagen von einem Schlagloch in das nächste. Auf dem Plateau angekommen, wandelten sich Stimmung und Klima, von sonnig-mediterran zu kalt, nass und nebelig. Während das Kasino nur noch in den Grundmauern erhalten ist, kann man das ehemalige Hotel besichtigen. Der Nebel begrenzte unser Sichtfeld auf vielleicht 20 Meter, danach weißes Nichts. So war das Gebäude erst dunkel und riesig erkennbar, als wir direkt vor dem imposanten Portal standen. Der Eintritt in das Foyer war wie der Eintritt in eine andere Welt: Dunkle, von Graffiti überzogene Wände, Nebelschwaden, die wie wehende weiße Vorhänge zu den Fenstern reinzogen, Überreste des einst prunkvollen Marmorbodens und von weit hallende Schritte und leise Gespräche anderer Besucher, die man in dem Labyrinth aus Stockwerken, Treppen, Balkonen und Zimmern aber nicht zu sehen bekam. Die perfekte Kulisse für einen Horrorfilm, dachte ich die ganze Zeit. Unvorstellbar, dass sich dort vor wenigen Jahrzehnten noch die Highsociety Kambodschas die Zeit vertrieb.
Ewig hätte ich durch die Räume streifen können, aber unser Guide leitete uns sicher aus dem Haus zurück zum Pickup, zurück in die Hitze.
Den zweiten Tag verbrachten wir am Meer, in dem nahen Strandbad Kep, mit Krabben, die wir knackten, bis die Finger bluteten und dem besten Pfeffer überhaupt: Kampot-Pfeffer.
Der Weg zurück ins laute, stinkende Phnom Penh fiel ziemlich schwer. Aber es hat sich wirklich gelohnt, dorthin zu fahren, wo der (beste) Pfeffer wächst.
Meine Fotos vom Grusel-Hotel
$$$ (Gast) - 15. Mai, 20:41

Das ist sowohl inhaltlich als auch stilistisch mal wieder ein absolut sensationeller Beitrag. Ich ziehe meinen Hut!

Ich (Gast) - 16. Mai, 18:55

Zu VIEL!!!

kannst du das nicht in einen satz packen?! das ist mir echt zu lang^^

Animalisch

Germanistik-Studentin aus Bamberg lenkt sich mal wieder von der Arbeit ab

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